Multidimensionale Wirtschaftssteuerung


Vorteile dieser Art der Wirtschaftssteuerung

Wie viele andere Konzepte zur alternativen Wirtschaftssteuerung hat auch dieser Ansatz Vor- und Nachteile. Da Geld aber heute schon das zentrale Instrument unserer Wirtschaft ist, wäre es relativ einfach ins aktuelle Wirtschaftssystem zu integrieren und würde schnell und multidimensional Veränderungen herbeiführen:

  • Verlagerung der Verantwortung zurück zur Wirtschaft: Jedes Wirtschaftsunternehmen hat es selbst in der Hand, wie es seine Produkte und Lieferketten gestaltet, damit sie die Ziele bestmöglich erreichen. Damit verlagert sich die Problemlösung von den höchsten politischen Ebenen auf viele »operative Ebenen« in der Wirtschaft – also genau dorthin, wo die Expert*innen sitzen, die ihre Produkte kennen und auch die damit verbundenen Probleme. Dabei kann sich die Wirtschaft nicht wie üblich beschweren, dass die Steuerlast erdrückend werde. Denn jedes Unternehmen hat die Möglichkeit, seine Steuerlast zu minimieren – aber nur, wenn das jeweilige Geschäftsmodell bestmöglich für Mensch und Planet ist.
  • Ausstieg aus dem Race to the Bottom: Bisher bauen Politiker Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards ab, um ihrer heimischen Wirtschaft Vorteile im globalisierten Wettbewerb zu verschaffen. In diesem Konzept spielt es jedoch keine Rolle mehr, wo ein Produkt hergestellt wurde, denn es geht nur den Absatzmarkt. Sobald ein Produkt im Währungsraum der digitalen Währung verkauft wird, zählt, wie nachhaltig und sozialverträglich es ist. Produkte, die im Währungsraum hergestellt und exportiert werden, sind nicht von der dynamischen Steuer betroffen und werden wie bisher besteuert, sodass der für viele so wichtige Außenhandel nicht beeinflusst wird. Trotzdem würde ein derart genutzter eEuro weit mehr als nur die europäischen Unternehmen zu einer Verhaltensänderung motivieren, denn der europäische Binnenmarkt ist der größte Markt der Welt.
  • Auch wird den Endverbraucher*innen die Verantwortung genommen, für einen Wandel verantwortlich zu sein – ohne ihnen die Freiheit zu nehmen, die ein freier Markt mit beliebigen Wahlmöglichkeiten bietet. Sie müssen einfach nur weiterhin zu den günstigsten Produkten greifen und können sicher sein, dass diese Produkte ihre „gewählten Erwartungen“ bestmöglich erfüllen.
  • Gleichzeitig haben die Konsument*innen durch den Wettbewerb innerhalb jeder Warengruppe immer eine günstige Alternative zur Auswahl, sodass die dynamische Steuer nicht zu höheren Lebenshaltungskosten führt.
  • Ende des Lobbyismus: Für Wirtschaftsunternehmen lohnt es sich nicht mehr, sich für einen wirtschaftlichen Vorteil in die Politik einzumischen oder diese gar zu unterwandern. Denn für viele Probleme braucht es keine komplexen politischen Vorgaben mehr, die alle Eventualitäten berücksichtigen müssen – die Marktteilnehmer bestimmen selbst, was machbar ist und was nicht. Und wer nicht ambitioniert und innovativ genug ist, während Mitbewerber vergleichbare Produkte bereits umweltschonender herstellen können, erhält immer mehr Wettbewerbsnachteile, bis er irgendwann vom Markt verschwindet.
  • Die dynamische Steuer, die beim Kauf durch den finalen Verbraucher anfällt, wäre auch nach ökonomischer Theorie der ideale Steuermechanismus. Denn diese Steuer setzt an dem wesentlichen Kernelement des freien Marktes nach Smith oder Walter Eucken an – genau dort, wo die Konsument*innen ihre Kaufentscheidung treffen: beim Preis.
  • Unser heutiges Wirtschaftssystem braucht immer mehr Wachstum, doch der Planet verträgt das „immer mehr“ nicht mehr. Anstatt das Wirtschaftswachstum abrupt zu stoppen, würde es sanft neu ausgerichtet, sodass Wachstum in die neuen Dimensionen mehr Nachhaltigkeit und mehr Sozialverträglichkeit entsteht. Diese Dimensionen sind bislang noch relativ leer, sodass ein neuer Innovations- und Wachstumszyklus ausgelöst werden würde, den sich viele so sehnlich wünschen.
  • Auch wäre das ein Lösungsansatz, der vielen Krisen etwas entgegensetzen kann, indem nicht nur eines, sondern verschiedene Ziele mit Profit verknüpft werden. So entsteht ein Werkzeug, das unsere gesamte geldzentrierte Gesellschaft multidimensional auf das Lösen mehrerer Krisen ausrichten kann. Dabei müssen nicht alle Ziele für alle Warengruppen gelten, sondern können je nach Bedarf individuell für einzelne Warengruppen herangezogen werden:
    • Bereits exemplarisch skizziert wurde das Ziel der Minimierung von CO₂. Dieses sollte noch um weitere Ziele ergänzt werden, die darauf abzielen, dass auch die Überschreitung anderer planetarer Grenzen eingedämmt wird – z. B.: Wer kommt mit weniger Phosphor, Stickstoff oder Wasserverschmutzung für seine Produkte aus?
    • Ein Ziel wie „Alle Beteiligten in der Lieferkette sollen am finanziellen Gewinn eines Produktes fair teilhaben“ würde zu fairen Löhnen in der gesamten Wertschöpfungskette führen, die für ein menschenwürdiges Leben ausreichen. Auch würde verhindert, dass ein mächtiges (Monopol-)Unternehmen riesige Gewinne einfährt, während Mitarbeiter, Zulieferer oder Subunternehmer kaum genug Geld zum Überleben haben.
    • Um geostrategischen Konflikten entgegenzuwirken, könnte man das Ziel »möglichst viel Wertschöpfung in demokratischen Systemen« in die Währung schreiben. Durch die Einkaufsdaten kennt die Währung die Länder, in denen Unternehmen einkaufen, und kann diese Einkäufe z. B. mit dem Demokratieindex bewerten. Auf diese Weise werden Anreize für Unternehmen geschaffen, Handelsbeziehungen zu gefestigten Demokratien aufzubauen und dort zu investieren. So würde einerseits eine größere Unabhängigkeit von undemokratischen Nationen erreicht, andererseits würden Diktaturen überlebenswichtige Einnahmequellen entzogen.
    • Abfallvermeidung und Kreislaufwirtschaft: Auch die Müllvermeidung oder die Recyclingfähigkeit von Produkten könnte als Kriterium in die Währung einfließen, um Hersteller zu Mehrweg-, Pfand- oder biologisch abbaubaren Lösungen zu motivieren. Wie die Ziele erreicht werden, wird den Herstellern selbst überlassen. Wird ein eigenes oder kooperatives Mehrwegsystem aufgebaut? Oder werden die Produkte so ausgestattet, dass sie biologisch abbaubar sind?
    • Mono- und Oligopole unwirtschaftlich machen: Die digitale Währung würde erkennen, wenn Warengruppen vorrangig von einem einzigen oder wenigen Konzernen verkauft werden, und könnte dann die Einnahmen für diese Verkäufe mit einer Extrasteuer versehen – einer Art Monopolsteuer. Das würde den Markteintritt neuer und kleiner Akteure deutlich erleichtern, sodass sich Monopole schnell auflösen sollten. Dadurch würden große Monopolisten unwirtschaftlicher und verlören ihren Wettbewerbsvorteil, während kleinere, neue Anbieter konkurrenzfähig werden – und dadurch wachsen. So würden sich gesunde Marktstrukturen mit günstigeren Konsumentenpreisen rasch wiederherstellen.
    • Datenschutz und Nutzungsverhalten: Soziale Medien, digitale Plattformen oder Spiele könnten um Ziele konkurrieren wie: »Wer kommt mit weniger Nutzerdaten aus?«, »Keine manipulativen Algorithmen, die Nutzerinnen zu ungewollten Entscheidungen drängen«, »Keine Förderung von Desinformation oder Hass«, »Transparente Algorithmen, sodass Nutzerinnen nachvollziehen können, warum sie bestimmte Inhalte sehen« oder »Möglichst offene Standards und Schnittstellen«, sodass Plattformen auch untereinander Daten austauschen können – was digitalen Lock-in-Effekten und Netzwerkeffekten entgegenwirken würde. Ebenso ein Ziel wie »Vermeidung von Suchtmechanismen«.
    • Gesunde Ernährung: Für eine gesündere Ernährung könnte beispielsweise eine Bewertung ähnlich dem Nutri-Score eingeführt werden, der den Nährwert von Lebensmitteln einer Produktkategorie miteinander vergleicht. Dadurch würden gesunde Lebensmittel billiger und ungesunde teurer.
    • Bezahlbare Ernährung: Nahrung ist lebensnotwendig, doch der Klimawandel wird zu einer Verknappung der Anbauflächen führen. Damit Nahrungsmittel für die breite Bevölkerung bezahlbar bleiben, müsste ein Ziel für die Steigerung der Nahrungsmittelmenge pro landwirtschaftlich genutzter Fläche festgelegt werden. Dieses Ziel wird wahrscheinlich im Widerspruch zu einem ökologischen Ziel wie »weniger Umweltgifte« stehen – dennoch werden beide Ziele in die Berechnung des Steuersatzes einfließen. Die Währung bildet einen Mittelwert aus der jeweiligen Zielerreichung, und so wird sich ein Optimum einstellen: maximaler Flächenertrag bei minimalem Einsatz von Umweltgiften.
    • Margendeckel gegen Preisspekulation: Eine digitale Währung kennt die Ein- und Ausgaben auf Produktebene und kann so für jedes Produkt eine Gewinnmarge ermitteln. Produkte, die für die Gesellschaft essenziell sind – wie Wohnraum oder Medikamente – könnten mit einer Obergrenze für Gewinnmargen versehen werden. Zum Beispiel könnte eine digitale Währung erkennen, dass ein Gebäude vollständig abbezahlt wurde. Wenn die Währung dann nur noch Betriebs- und Instandhaltungskosten plus eine Gewinnmarge als Miete zulassen würde, dann wäre es nicht mehr möglich, Wohnungen als Spekulationsobjekte zu missbrauchen. Anders als die häufig diskutierte Mietpreisbremse würde ein Margendeckel für Mieten dazu führen, dass anfallende Kosten, zum Beispiel für den Neubau von Wohnungen oder Investitionen in energetische Sanierungen, mit einem Gewinnaufschlag an die Mieter*innen weitergegeben werden können und wäre somit kein Investitionshindernis.

Anschauliche Beispiele dafür sind im Konzeptpapier auf den Seiten 146 bis 161 dargelegt.