Demokratisierung des Geldes, digitales Grundgesetz und neue Institutionen
Um die Macht über das Geld demokratisch zu verteilen, braucht es ein neues Verifizierungsverfahren. Bisherige Kryptowährungen nutzen häufig Proof of Work oder Proof of Stake (warum diese undemokratisch sind, steht auf S. 189 des Konzeptes).
Durch ein Proof-of-Wallet-Verfahren würde jedem Bürger die Möglichkeit gegeben, neue Regeln oder auch Ziele, die die Wirtschaft erreichen muss, wenn sie ihren Profit steigern will, direkt in die Währung zu schreiben. Wenn man eine echte Demokratisierung des Geldes anstrebt, sollten diese Ziele von mindestens 50,1 Prozent der Bürger*innen demokratisch in die Währung gewählt werden.
Man könnte vorab eine Art digitales Grundgesetz schaffen, das die Regeln der Währung definiert und nur schwer zu ändern ist. Beispielsweise könnte darin festgelegt werden:
- Dass Unternehmen und Privatpersonen datentechnisch getrennt behandelt werden müssen. Daten von Privatpersonen sollten ausschließlich in den lokalen persönlichen Datenspeicherorten liegen. Auch die Daten von Unternehmen sollten großteils auf den persönlichen Datenspeichern liegen sollten, jedoch müssten Unternehmen einen Bruchteil der Daten öffentlich machen, aber nur die Daten, die es nötig sind, um die Produkte im ökologischen und sozialen Wettbewerb zu bewerten.
- Dass nicht jede*r Bürger*in eigene Ziele und Regeln vorschlagen darf, da dies zu viel Chaos führen könnte. Eine Möglichkeit wäre, dass gewählte Volksvertreter*innen, NGOs, Bürgerräte, Gewerkschaften oder Verbände Ziele vorschlagen dürfen, die dann von einer Mehrheit von mindestens 50,1 Prozent der Bürgerinnen in die Währung aufgenommen werden. Dies hätte nebenbei den Vorteil, dass die Notwendigkeit parlamentarischer Mehrheiten abnimmt, wenn jede gewählte Partei eigene Vorschläge in die Währung einbringen kann.
- Das Zahlungsverhalten von Personen und Firmen kann nicht nachvollzogen werden, indem jede Zahlung mit einer neuen, zufällig generierten ID (Zahlencode) für den Zahlenden und den Zahlungsempfänger erfolgt. Man kann sich das in etwa so vorstellen, als würde eine Person heute jede Zahlung mit einer neuen Kreditkarte einer anderen Bank tätigen – und keine dieser Banken speichert die Kreditkartennummer. Das käme von außen betrachtet einem vollständig anonymen Zahlungsverhalten gleich. Gleichzeitig müssten dann für alle Menschen die gleichen Regeln gelten, denn technisch wäre eine diskriminierende Unterscheidung einzelner Personen nicht mehr möglich. Nur in den jeweiligen persönlichen digitalen Brieftaschen ist ersichtlich, welche Zahlung man selbst getätigt hat.
- Ein Ethikrat soll verhindern, dass Daten überhaupt gesammelt und gespeichert werden, die eine Diskriminierung ermöglichen – und damit auch eine pauschale finanzielle Bestrafung ganzer Gruppen von Menschen.
- Trotzdem sollte das digitale Grundgesetz doppelte Sicherheitsmechanismen vorsehen, zum Beispiel indem sanktionierende Programme immer nur von Gerichten gegen einzelne Personen, nicht gegen Gruppen von Menschen, eingesetzt werden können. Außerdem sollten diese Programme stets eine demokratische Hintertür haben, sodass sie beispielsweise mit bereits einer Minderheit von 20 % der Stimmen vollständig deaktiviert werden können. Dadurch ließe sich ihr Einsatz verhindern, sollte das Rechtssystem einmal kippen.
- Auch könnte im digitalen Grundgesetz festgelegt werden, dass nur in sich geschlossen finanzierte Ziele gewählt werden können. Da die Währung alle Zahlungen kennt, kann schnell simuliert werden, welche finanziellen Auswirkungen ein neues Ziel oder eine neue Vorgabe hätte. Es werden dann nur solche Ziele zur Wahl zugelassen, die finanziell in sich geschlossen sind – und sei es durch die Aufnahme neuer Schulden. Bereits beim Verabschieden der Ziele muss klar sein, was dies finanziell bedeutet. Insgesamt könnten die oft nur gut klingenden Wahlversprechen politischer Parteien künftig als „Programme“ für die digitale Währung abgegeben werden – so lassen sich die gesamtwirtschaftlichen Effekte besser simulieren. Gleichzeitig kann jeder Bürgerin selbst prüfen, wie sich ein Wahlversprechen auf den eigenen Geldbeutel auswirkt. Das erhöht die Erfolgschancen seriöser Politikerinnen und senkt die der Populistinnen.
- Es sollte eine neue staatliche Institution geschaffen werden, die zum einen die oben genannte Open-Source-Software für die persönlichen digitalen Brieftaschen entwickelt. Diese Institution müsste sich außerdem um Sicherheitsupdates und Wartung der Währung kümmern, Fehler beheben, Speicherplatz sowie Rechenleistung bereitstellen und den Datenschutz sowie die Datenintegrität sicherstellen. Sie sollte – losgelöst von bisherigen politischen Verflechtungen – als neue eigenständige Gewalt im Staat den Datenschutz und die Datenintegrität gegenüber den bestehenden drei Gewalten gewährleisten.
- Theoretisch wäre es auch denkbar, dass ein „Hard Fork“ einer digitalen Währung vorgesehen ist. Ein Hard Fork entspricht einer Aufspaltung der Währung in zwei Teilwährungen, wenn sich die Menschen nicht einigen können, welche Ziele in die Währung aufgenommen werden sollen. Man könnte sich das so vorstellen, dass die Menschen in einem Land beschließen, die Ziele der anderen EU-Länder nicht zu teilen und eigene Ziele zu definieren. Dieses Land würde dann einen eigenen digitalen Währungsraum schaffen. Es gäbe einen Wechselkurs zu dem bereits bestehenden digitalen Währungsraum der übrigen EU-Länder. Dies würde einerseits Trennungsprozesse stark vereinfachen. Ob das sinnvoll ist, soll hier nicht bewertet werden. Es würde jedoch die Handlungsfähigkeit in einer polarisierten Welt gewährleisten und gleichzeitig eine einfache schnelle Möglichkeit schaffen, wieder zusammenzufinden – nämlich, indem man die Ziele wieder angleicht.

