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Geld ist der Programmcode unserer „durchkapitalisierten“ Gesellschaft. Es steuert nahezu alle menschlichen Beziehungen außerhalb von Familie und Freunden. Geld bestimmt, wofür Menschen morgens aufstehen, welche Tätigkeiten sich lohnen, welche Ideen wachsen oder verschwinden und welche Ressourcen ausgebeutet werden. Doch dieses Steuerungsinstrument hat gravierende Fehler: Es erlaubt, Gewinne zu privatisieren, während Kosten auf Umwelt und Gesellschaft abgewälzt werden. Es belohnt kurzfristige Profite statt langfristiger Verantwortung, Wettbewerb statt Kooperation, Ausbeutung statt Gemeinschaft. So produziert Geld Abhängigkeit, Ungleichheit und Krisen – bis hin zur Zerstörung unserer eigenen Lebensgrundlagen.

Doch nun öffnet sich ein historisches Fenster: Geld wird digital – und damit können wir den Programmcode zum ersten Mal vereinfachen, in verständlicher Sprache korrigieren und, viel wichtiger, demokratisieren. So können alle Demokratielücken, die durch Geld verursacht wurden – etwa durch Lobbyismus –, geschlossen werden.

Wie bisher mit Geld gesteuert wird

Wurde bisher von Geld als Steuerungsinstrument gesprochen, dachten Ökonomen an Subventionen, Leitzins, Geldmenge, EU-Taxonomie u. v. m. Das sind alte, sehr komplexe und über viele Umwege wirkende Steuerungsinstrumente, die so indirekt greifen, dass sich Menschen ohne intensives Studium kaum in die Thematik einarbeiten können, um die Wechselwirkungen und Abhängigkeiten zu verstehen.

Bisher versucht die EU, Unternehmen im Euroraum über folgenden komplexen Steuerungsmechanismus zu mehr Nachhaltigkeit zu bewegen:

  • Mehrere Verordnungen (EU-Taxonomie, CSRD oder SFDR) motivieren Firmen EU-weit zu mehr Nachhaltigkeitsberichterstattung. Dann wurde über die Bankenregulierung CRR/CRD vorgegeben, dass Banken die Kriterien dieser Nachhaltigkeitsberichterstattung bei ihrer Risikobewertung mit einbeziehen.
    Die Hoffnung: Banken vergeben günstigere Kredite an Unternehmen, die stärker auf Nachhaltigkeit achten, weil sie ein geringeres Ausfallrisiko sehen. Dadurch können sich nachhaltige Unternehmen günstiger Geld leihen, erhalten so Wettbewerbsvorteile, können investieren und wachsen – und verdrängen langfristig weniger nachhaltige Unternehmen.
  • Daneben gibt es noch unzählige andere Steuerungsinstrumente wie den CO2-Preis (EU ETS), unzählige Subventionen und Steuererleichterungen (z.B. für E-Autos), Investitionszuschüsse, Bürgschaften, Garantien oder die Übernahme von Folgekosten z.B. für die ewige Atommüllendlagerung.
  • Alles in allem ist das ein sehr komplexer und langwieriger Ansatz, um die Wirtschaft in die eine gewünschte Richtung zu lenken. Der zudem häufig von Interessenkonflikten geprägt ist, etwa dem Interesse der Politik an heimischer Arbeitsplatzsicherheit. Hier wird häufig auf den bereits widerlegten Trickle-Down-Effekt verwiesen: Wenn heimische Unternehmen Wettbewerbsvorteile erhalten, können sie im globalen Wettbewerb andere verdrängen und selbst wachsen. So stellen sie mehr Personal ein, das führt zu einem knapperen Arbeitsmarkt, was die Verhandlungsposition der Beschäftigten verbessert, wodurch die Löhne steigen, sodass am Ende der breite Wohlstand der Menschen steigt.
    Und Wohlstand scheint eines der Hauptkriterien zu sein, nach denen der Erfolg von Politikern bewertet wird. In der Suche nach marginalen Vorteilen für eine stagnierende Wirtschaft überbieten sich Politiker daher im Abbau von Sozial-, Arbeits- und Umweltstandards im globalisierten Wettbewerb – besser bekannt als Race to the Bottom.

Der eEuro als disruptives Steuerungsinstrument

Das Potenzial des digitalen Euros besteht darin, diesen komplexen Steuerungsprozess radikal zu vereinfachen, zu verkürzen und transparent zu gestalten. Denn der eEuro wird neben der „Geldebene“, die es heute schon gibt, auch eine Datenebene erhalten. Bei jedem Bezahlvorgang werden künftig Daten übertragen, die es am Ende der Lieferkette ermöglichen, auf Artikelebene zu bewerten, wie nachhaltig ein Produkt hergestellt wurde und ob die Arbeiter fair bezahlt wurden.

Darüber hinaus kann der eEuro zu einer Plattform werden, auf der auf Basis dieser Daten Automatisierungen funktionieren. So könnte man beispielsweise durch eine einfache Anpassung des Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage Unternehmen einen direkten Wettbewerbsvorteil verschaffen: Sie könnten ihre Waren und Dienstleistungen günstiger anbieten als die Konkurrenz, wenn sie beides tun – ihre Mitarbeiter fair bezahlen und nachhaltiger produzieren als vergleichbare Unternehmen.

Richtig umgesetzt verbessert das sogar den Datenschutz im Vergleich zum heutigen Status quo deutlich und ermöglicht einen Ausstieg aus dem Race to the Bottom und minimiert gleichzeitig den Raum für Lobbyismus, da die Marktteilnehmer selbst bestrebt sind, möglichst schnell hohe Löhne zu zahlen oder die nachhaltigsten Produktionsmethoden anzuwenden, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Siehe dazu:

So kann Geld – bisher das Machtinstrument der Neoliberalen – zu einem sanften, aber straffen Steuerungsinstrument in einem Postwachstumskapitalismus werden, in dem Wachstum nur noch dort stattfindet, wo es Gesellschaft und Planeten nicht mehr schadet.


Geld wird digital – und damit programmierbar

Weltweit entwickeln Zentralbanken derzeit sogenanntes digitales Zentralbankgeld (CBDC, Central Bank Digital Currency) – in Europa arbeitet die EZB am digitalen Euro (eEuro).
Hier ein Video und eine Erklärung des Finanzministeriums

Der eEuro wird nicht einfach nur elektronisches Bargeld, sondern eine neue Form von Geld, das neben reinen Zahlungen auch Daten überträgt und Transparenz schaffen kann.

Während der heutige Geld-Code unser Wirtschaftssystem und unsere Gesellschaft durch undurchsichtige Mechanismen, unzählige Wechselwirkungen und komplexe Abhängigkeiten zusammenhält, kann digitales Geld mit einem echten Programmcode – also in klar verständlicher Textform – programmiert werden.

Das bedeutet: Wir können leicht und verständlich bestimmen, welche Werte und Regeln direkt im Geld verankert werden. Damit öffnet sich ein historisches Fenster:
Zum ersten Mal in der Geschichte können wir die grundlegenden Mechanismen unseres Wirtschaftssystems bewusst und zielgenau gestalten – demokratisch, nachhaltig und im Sinne der Gesellschaft.


Warum das jetzt zählt

Wir sind „ahead of the curve“, würde man im Business-Neudeutsch sagen. Noch bevor digitales Geld final designt wird und sich etabliert, haben wir die Chance, seine Entwicklung aktiv mitzugestalten.

Digitales Zentralbankgeld ist kein technisches Detail. Es ist eine gesellschaftliche Weichenstellung – vergleichbar mit der Erfindung des Internets. Wenn wir es richtig gestalten, kann der digitale Euro ein Werkzeug werden, um unseren fehlerhaften Kapitalismus zu reparieren. Es besteht aber auch ein großes Risiko, dass die Digitalisierung von Geld die Perversitäten des Turbokapitalismus beschleunigt, denn Beschleunigen ist die eigentliche Kernaufgabe von Digitalisierungsvorhaben. Wenn wir den neoliberalen Kräften dieses zentrale Element unserer Gesellschaft überlassen, dann in ihrem Sinne gestalten und damit unzählige neue Probleme produzieren, sodass der Zivilgesellschaft nur reaktive Schadensbegrenzung übrig bleibt. Noch haben wir aber Zeit die Neoliberalen mit ihrer eigenen Waffe zu schlagen – mit Geld.

Bislang haben vor allem große Tech-Giganten das disruptive Potenzial erkannt. Wenn die Zivilgesellschaft diesem Thema nicht annimmt, überlässt sie das Feld denjenigen, die ausschließlich Profitinteressen verfolgen – und dabei immer neue soziale, politische und ökologische Probleme verursachen.